B ei hl g tt Landshuter Beitung Sechsundzwanzigſter Jahrgang 1874. JM Baumeiſter Härtnagel. Aus „Luſt und Leid“ von Bernhard Wörner. *) I. – – – Furchtbar wird die Himmelskraft, Wenn ſie der Feſſel ſich entrafft, Einhertritt auf der eignen Spur, Die freie Tochter der Natur; Wehe, wenn ſie losgelaſſen, Wachſend ohne Widerſtand. Durch die volkbelebten Gaſſen Wälzt den ungeheuren Brand! Schiller. Punkt zwölf Uhr verkündete der Stadtthürmer von Gleichau mit lauten, gemeſſenen Schlägen von ſeiner luftigen Behauſung herab die Stunde der Ruhe und Mahlzeit. Zugleich mahnte die eherne, weithinſchallende Glockenſtimme zum engliſchen Gruße. In den Familien erhoben ſich alle und beteten mit gefalteten Händen leiſe die Worte mit, welche eine zarte Kinderſtimme vorſprach. Die Leute auf der Straße gingen ſtill ihres Weges und man ſah Männer und Jünglinge aus dem Bürgerſtande mit entblößtem Haupte. Alte Mütterchen ſtanden ſtill, um un geſtört ihr „Ave“ zu vollenden. Selbſt die „Herrenleute“ ſchienen dem melodiſchen Gruße zu lauſchen und ſchritten lang ſam fürbaß. Das Städtchen war ſtiller geworden. Alles athmete eine wohlthuende Ruhe. Wer hätte gedacht, daß eine Stunde ſpäter derſelbe Glockenruf abgeſtoßen, dumpf und ſchauerlich über Berg und Thal dröhnen und ängſtlich um Hilfe rufen würde in höchſter Noth? Aus dem Mittelpunkte Gleichaus ſchlagen die Flammen lichterloh über die Dächer empor und raſen, mit unheimlicher Schnelle vom Winde getrieben, über die niedrigen Häuſer der Mittelgaſſe. Dort ſtehen die Wohnungen der Armen, lauter altes, ſplitterdürres Holz- und Fachwerk, durch keinen Steinbau geſchützt. Die Männer, die erwachſenen Söhne und Dienſtleute ſind zumeiſt auswärts in den Hopfengärten, dem Reichthume der Stadt, beſchäftigt. Es fehlt an Allem: an Leitern, Eimern, Spritzen, Waſſer, an rüſtigen Armen zum Löſchen. Die Frauen ſtürzen laut jammernd aus den brennenden Häuſern. Die Be ſonnenen reißen ihre Kinder mit ſich fort. Es wäre Alles ver loren geweſen, wenn nicht ein Trupp beherzter Geſellen, Mau rer und Zimmerleute, die unfern des Städtchens an einem Neubau arbeiteten und in hellem Laufe herzueilten, an den be drohteſten Punkten muthig Hilfe gebracht hätte. Sie ſprengten die geſchloſſenen Thüren, ſtiegen durch die Fenſter, brachen ſich durch die Wände und Dächer Bahn und ſchafften mit Geſchick und Schnelligkeit an Kleidern, Betten und Hausrath auf die Straße, was ihre Hände nur immer erreichen konnten. Ein muthiges Pioniercorps, das vor keiner Gefahr zurückſchreckte! Schritt für Schrit wichen ſie dem erſtickenden Qualm und dem glühenden, gefräßigen Flammenmeer, das ſich verheerend weiter und weiter wälzte Bretter, Steine, brennende Balken fielen rechts und links, Decken und Wände ſtürzten nach und nur mit Mühe und Gefahr gelang es ihnen oft, noch rechtzeitig ihr *) Mit ausdrücklicher Erlaubniß des Hrn. Verlegers, Fried rich Pueſtet in Regensburg, abgedruckt. Bei dieſer Gelegenheit empfehlen wir wiederholt die Ä Wörner'ſchen Erzählungen in ſeinem „Luſt Ä # ſowie „Amt und Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä eſtens. Die Wörner'ſchen Erzählungen ſind ſpannend und intereſſant un dabei ſittlich rein Ä edler Sprache geſchrieben. Sowohl in Deutſch land als in Amerika werden ſie daher mit Recht ſehr gerne geleſen,... Ein Lebensbild des früh dahin Ä Bernhard Wººr ºttº treffliche „Deutſche Hausſchatz für das Jahr 1874“, auf den die Ä: Ztg wiederholt rühmend aufmerkſam machen möchte. Die Red. d. ndsh. Ztg Leben zu bergen. Der kühnſte unter den Rettern, allen Andern voran, war ein ſchlanker, beweglicher, aber kräftig und musku lös gebauter Jüngling. Immer zuletzt verließ er die brennenden Räume, um im nächſten Hauſe gleich muthig vorzudringen. Ueberall hatte er den umſichtigen Blick, das ermunternde Wort, die helfende Hand. Die Kameraden, ja ſelbſt ältere Männer gehorchten raſch und pünktlich ſeinen Winken und Zurufen, als ſei er der Hauptmann dieſer kleinen, von der Noth gebildeten Feuerwehr. Der junge Mann war ein Bild deutſcher Schön heit, deutſchen Muthes und deutſcher Kraft. Sein Körper ſchien größer im Drange der Gefahr, die lebhaften, blauen Augen glänzten, die freie Stirne und die ſonſt wie im Hauche geröthe ten Wangen glühten unter dem Drucke der Hitze und Anſtren gung. Die friſchen Lippen waren leicht geöffnet, um die keu chende Bruſt durch raſches Athmen zu ſtärken und die hell blonden Haare ſpielten in dichten, krauſen Locken um das ſchöne Haupt, als wollten ſie den züngelnden Flammen entfliehen. Endlich kam Hilfe von allen Seiten. Die aufſteigenden Rauchwolken, die hohen, himmelanſchlagenden Flammengarben, das ſchauerliche Rufen der Glocken und die unausgeſetzten Noth ſchüſſe, welche vom Thurme fielen, trieben die Leute vom Felde heimwärts, in entſetzlicher Angſt, ob und wie ſie die Stätte ihrer Heimath wieder finden würden. Athemlos langten die Bewohner der umliegenden Dörfer auf dem Platze an, zu jeder Unterſtützung bereit und gerüſtet. Spritzen raſſelten, lange Waſſerreihen wurden gebildet, Commandoworte drangen ordnend durch, Feuerleitern wurden herbeigeſchleppt, angelegt und ge waltige Brechwerkzeuge in Bewegung geſetzt. Hunderte von Händen kämpften und rangen mit dem entfeſſelten Element. Doch erſt nach Stunden gelang es, den raſenden, verheerenden Feuerſtrom zu bewältigen und in feſte Grenzen zu bannen. Die Mittelgaſſe lag in Trümmern bis auf wenige Hintergebäude, ein düſterer langgeſtreckter Schutt- und Aſchenhaufen, aus dem ſchwarzer Rauch ſtieg, Funken ſprühten, und bald da, bald dort lichte Feuerſäulen ſchlugen. Glühende Hitze und eine ſcharfe mit Waſſer und Rauch zerſetzte Atmoſphäre lagerten über der Stätte des Unglücks. Nur zwei armſelige Hütten hatten die Flammen verſchont, aber die Dächer und Wände, welche rings, um brachen und ſtürzten, hatten ſie unter ihren Trümmern be graben und erdrückt. Erſchöpft von der übermenſchlichen Anſtrengung, gönnten ſich jetzt die Arbeiter eine kurze Raſt. Neue Kräfte, die aus entfernteren Ortſchaften kamen, traten an ihre Stelle, um den glimmenden Feuerheerd zu bewachen und das gerettete Gut nach Kräften zu bergen. In einem Winkel, den zwei geſchwärzte verfallene Mauern bildeten, treffen wir auf einem Steine den wackeren Jüngling wieder, welcher zuerſt mit ſeinen Begleitern rettend in die Häuſer drang. Das blonde Lockenhaar war durchnäßt und ringsum verſengt, die Augen ſchmerzlich zu ſammengezogen, die Wangen in natürlicher Flammengluth. Er ſchöpfte mit der hohlen Hand Waſſer aus einem Feuereimer und träufelte es auf den entblößten, kräftigten Arm. Ein brennender Balken hatte ihn im Herabſtürzen geſtreift, die Klei der durchgeriſſen und eine lange, tiefe Brandfurche gezogen. Bei jedem Tropfen Waſſer, der auf das wunde Fleiſch fiel, preßte er die Lippen feſter zuſammen und die gleichfalls ver letzte geſchwollene Hand zuckte krampfhaft. Sein Blick ruhte ſchwermüthig und mit ſichtlichem Schmerze auf der Verwüſtung, welche das Feuer ringsum angerichtet. Er ſetzte ſeine einfache Selbſtkur fort, bis ein leiſer, vorſichtiger Schritt um die Mauern, in deren Umfaſſung er ſaß, ſeine Aufmerkſamkeit erregte. Durch eine klaffende, bis zum Boden reichende Spalte, welche die Aus