53. K u n s t b l a t t. Dienſtag, den 6. Juli 1841. Jeſu Gang nach Golgatha. Basrelief von Thorwaldſen. * Alexanders Triumphzug iſt unſtreitig Thorwaldſen's vorzüglichſte und umfaſſendſte Arbeit in der hiſtoriſchen Richtung; einen Gegenſatz zu demſelben bildet ſein neueſtes Werk, der Gang nach Golgatha, in einer andern Richtung, in der ſich ſein Genie entwickelt hat, in der chriſtlichen. Der Gang nach Golgatha, von dem wir hier eine Schilderung geben wollen, iſt eben ſo gut als Aleranders Triumphzug ein epiſches Kunſtwerk, da er eine fortlaufende Reihe von Basreliefs bildet; aber er hat doch eine von dieſem ganz verſchiedene Natur, wie ſchon die Beſtimmung beider eine ganz verſchiedene iſt. Der Aleranderzug bewegt ſich innerhalb der Grenzen der antiken Kunſt, und darum findet jedes Kennzeichen der antiken Kunſt ſeine Anwendung auf ihn, ſo auch das, daß hier das Geiſtige verkörpert, während in dem chriſtlichen Kunſtwerk das Körperliche vergeiſtigt iſt. In der Geſtalt Aleranders iſt der Charakter des ganzen Triumphzuges gleichſam "concentrirt; alles Ideale, was den Formen der menſchlichen Natur zum Grunde liegt, hat in ihm ſeinen Körper und Ausdruck gefunden; er repräſentirt im Vergleich mit den Völkerſchaften, die er beſiegt hat, die höhere Vernunft, Cultur und Schönheit, und darum fühlt auch der Betrachter das dieſen Ent ſprechende im eignen Geiſt in Bewegung geſetzt; er feiert unter der Beſchauung gleichſam ſelbſt den Triumph ſeiner eigenen Vernunft und fühlt zugleich jede For derung der idealen Schönheit zufriedengeſtellt, und dieß nicht bloß in Aleranders Perſon, ſondern auch in den Nebenperſonen. So aber iſt es nicht in dem chriſtlichen Kunſtwerk. Hier iſt es nicht mehr die menſchliche Ver nunft oder der Schönheitsſinn allein, die befriedigt werden ſollen, ſondern auch das Gefühl; und für den Aus Chr. K. F. Molbe chs - -, Om Billedhugger Konſten og dens Poeſie.“ Kopenhagen 1841. Künſtler tritt eine andere und höhere Rückſicht als die Schönheit auf, nämlich der Glaube. Während das antike Sculpturwerk als eine objective, vollendete Schönheits form daſteht, die den begeiſtern kann, der daſſelbe be ſchaut, deſſen Geiſt zwar mit dem des Menſchen ſich verſchmelzen kann, aber nur in ſofern, als die Vernunft die ewigen Geſetze der Schönheit in ſich aufnimmt, während es ſelbſt ſtets das Höchſte für den Betrachter bleiben muß; ſo erkennt dagegen das chriſtliche Sculptur werk ſtets an, daß es nur dienend iſt, daß es einer höhern Rückſicht unterliegt und nicht ſelbſt das Höchſte iſt. Dieſe höhere Rückſicht, ſagten wir oben, iſt der Glaube. Indem das Gefühl in Bewegung geſetzt und wir durch die Beſchauung gerührt werden, indem der Geiſt überſtrömt und mit ihm verſchmilzt, muß zugleich in jenem Geiſte etwas ſevn, was unſern Glauben ſtärken und wohlthätig auf unſer Herz wirken kann; und dieß iſt uns gegeben, wenn das Kunſtwerk nicht bloß das chriſtliche Leiden darſtellt, ſondern auch den chriſtlichen Sieg verherrlicht. Aber damit ein ſolcher Sieg unſer Vertrauen ſtärken und den Geiſt zur Gottheit erheben kann, erheiſcht der Glaube eben, daß das Bild nicht die Verſinnlichung des Geiſtigen, nicht die Gottheit, die in die menſchliche Form herabgeſtiegen iſt, ausdrücken ſoll, ſondern den Menſchen ſelbſt in einem Augenblick, worin ein reiner Sieg über das irdiſche Leiden ihn zum Himmel erhoben hat, und worin er deßhalb auch geeig net iſt, die Seele des Beſchauers zu erheben. So iſt es in dem ,,Gang nach Golgatha“ nicht die göttliche Natur Chriſti, welche in die irdiſche herabgezogen und in eine körperliche Geſtalt eingekleidet werden ſoll, ſon dern es iſt die irdiſche, die menſchliche, die zur göttlichen erhoben werden ſoll. Denn nur indem der Betrachter ſich ſelbſt in einer höheren, verklärten Geſtalt wieder erkennt, erfüllt ſich ſein Herz mit Vertrauen und Glau ben, und ſeine Seele erhält den Muth, ſich von der Erde empor zu ſchwingen. Der allgemeine Charakter des Kunſtwerks muß ein leidender bleiben, denn das