LS Sº S-O it für gebildete Stände. H er ausgegeben von M ü ll ne r. Braunſchweig, am 2. Januar 182 6. N? 1. K e i n P r o l o g. Im April des vorigen Jahres erhielt ich von zwei mir völlig unbekannten Herren zu Peſth in Ungarn ein ungemein ſchmeichelhaftes Schreiben, worin ſie mir eröffneten, daß ſie, ungefähr nach dem Muſter der deutſchen Morgen- und Abendblätter, eine Zeit ſchrift unter dem Titel Iris herauszugeben däch ten, welche in dieſer Art die erſte dort zu Lande ſeyn würde, und welcher ich durch einen Prolog „aus meiner Meiſter-Feder“ Glück und Gedeihen ſchaffen möchte. Ich war anfangs ein wenig em pfindlich darüber, daß man ein Gelegenheitsgedicht bei mir beſtellte, und beſchloß, nicht zu antworten. Bald aber verſetzte mich die Betrachtung, daß die Herren in Ungarn ihrem Vaterlande ein belletriſti ſches Journal nach deutſchen Muſtern geben woll ten, in eine beſſere Laune. Ich dachte zurück an die Zeit, wo auch das belletriſtiſche Deutſchland noch in einem Stande der Unſchuld lebte; wo deſſen Le ſewelt durch die gleißende Schlange, Zeitung für die elegante Welt genannt *), noch nicht verführt wor *) Bekanntlich das erſte belletriſtiſche Tag- und Toi lettenblatt, vom Hofrath Spazier. 1801 ge gründet. den war, vom Baume der flüchtigen journaliſtiſchen Erkenntniß zu naſchen; wo die Sündfluth der Mu ſen-Tageblätter das Gebiet der ſchönen Literatur noch nicht unter Waſſer geſetzt hatte. Dieſe Be trachtungen beſtimmten mich, den Herren in Peſth folgende ſcherzhafte Antwort zugehen zu laſſen. Ihr wollt, daß ich ein Vorwort dichte Zu dem Journal, das Ihr beginnt? Ich, einer fremden Erde Kind, In anderm Schatten, anderm Lichte Geboren und gewohnt zu leben, Mit dem Geſchmack in Eurem Land Und mit Euch ſelber unbekannt, Was könnt' ich da zum Beſten geben, Als einen Rath, im Allgemeinen? Das Farbenſpiel der Iris prangt, . Wenn Waſſerdunſt am Himmel hangt, Doch muß dazu die Sonne ſcheinen Den Regenwolken gegenüber. Der Himmel deutſcher Muſenkunſt Hangt immerdar voll Regendunſt, Und alle Bäche laufen über. Die Induſtrie der Bibliopolen Setzt täglich Fäſſer unters Dach, Die Leſewelt läßt in's Gemach Sich den gefangenen Regen holen;