1390 Vorzeit erfahren mußten: für den Lebenden hat die Mitwelt kein Stückchen Brod, für den Todten jedoch wenden die Nachkommen Tauſende auf, um ſeinem Andenken und ſeinem Wirken einen Stein zu weihen. Man ſchreibt aus Straubing, 29. Juli: Vergangenen Mittwoch war vor dem hieſigen Kreis- und Stadtgerichte eine öffentliche Verhandlung, welche für den Ange ſchuldigten günſtiger, als für zwei hiebei betheiligte Zeugen endigte. Ein Lederergeſelle aus Sachſenfeld in Oeſterreich, der in Dingolfing in Arbeit geſtanden, war des Ver brechens der Widerſetzung gegen einen Polizeiſoldaten in Dingolfing angeklagt. Die öf fentliche Verhandlung ſtellte nun aber heraus, daß der Angeſchuldigte an demſelben Tage, an welchem ihm vom Landgerichte Dingolfing als fremd geworden, nach Straubing vi firt worden war, von dem Polizeiſoldaten als Vagant arretirt, dieſem aber mit Zurück laſſung ſeines Bündels und Wanderbuches entſprungen war. Als er ſich nun ſpäter ſelbſt wieder, um ſeinen Wanderbündel und Wanderbuch zu holen, in die Wohnung des Polizeiſoldaten begab, wurde er von dieſem, nachdem die Thüre unter der Stiege ver riegelt und ſo die wiederholte Flucht unmöglich gemacht worden, wahrſcheinlich aus Aer ger über das frühere Entſpringen, mit einem Ochſenziemer auf eine Weiſe traktirt, daß die Spuren noch bei der öffentlichen Verhandlung, nach über ſechs Wochen, erſichtlich waren. Als nun der Angeſchuldigte ſich zur Wehre ſetzte, ja ſogar des Polizeiſoldaten Meiſter wurde und nur von dieſem unter Beihilfe ſeiner Frau in das Gefängniß ge bracht war, dort ſofort tobte und wüthete, wurde noch der Bürgermeiſter herbeigeholt und als er ſich bei deſſen Ankunft noch nicht ruhig verhielt, wurde er aus Auftrag des Bürgermeiſters im Gefängniſſe aufs Neue mit dem Ochſenziemer geſchlagen, bis er ru hig war. Der Angeklagte, der aus gutem Hauſe unb gut beleumundet iſt, wurde frei geſprochen, gegen den Polizeiſoldaten und Bürgermeiſter aber die Einleitung einer Un terſuchung wegen Körperverletzung angeordnet. Von einem gebornen Bayern (einem Landshuter) bringt der "Kurier für Nieder bayern“ folgendes Schreiben aus Sebaſtopol: "Wir ſtehen (franz. Legion) ſeit dem 6. Juli mit unſeren Batterien kaum einige hundert Schritte von dem Malachoffthurm entfernt, daher es nichts Neues iſt, wenn wir die innerhalb der Ringmauer verſchanzten ruſſiſchen Truppen reden hören, des ſteten beiderſeitigen Feuerns ungeachtet. Am 9. nahmen wir nach mehrſtündiger Gegenwehr dem Feinde eine Batterie ab und drangen bis zur Mauer vor, unter der wir auch jetzt noch lagern. Bei dieſer Affaire bekam ich einen Schuß in den Arm, von dem ich jedoch wieder geheilt bin. Wir ſehen mit ſteigender Ungeduld des Augenblicks zum allgemeinen Angriff eitgegen, denn die unab läſſigen Strapazen des nächtlichen Wachens, die immerwährenden Ausfälle des Feindes, die unaufhörlichen Schanzarbeiten unter einer afrikaniſchen Hitze, der leider die rüſtigſten Kämpfer erliegen müſſen, hat uns Alle zum Kampf und Streit ge ſtählt und der Tag dürfte ſehr nahe liegen, daß die Kunde einer glorreichen Waffenthat der verbündeten Armeen Deutſchlands Gauen erfüllt. Das einzige Gute, was wir be ſitzen und die Mühſeligkeit erträglicher macht, iſt die regelmäßige, ja ausgezeichnete Ver pflegung, denn wir erhalten Morgens 5 Uhr Kaffee, um 8 Uhr Wein oder Schnaps, zweimal des Tages warme Speiſen und Abends wieder Kaffee und Wein.“ – Dieſe Mittheilung wird um ſo intereſſanter ſein, wenn man bedenkt, daß es einem Bayern in einem Lande ohne Bier ganz abſonderlich zu Muthe wird. Ein franzöſiſcher Luftſchiffer Namens Gardonia lockte am 31. Juli in London durch die Ankündigung, er werde den Plan Lord Dundonald's theoretiſch und praktiſch erläutern, eine Menge gelehrter Land- und See-Offiziere herbei. Den franzöſiſchen Aero nauten zufolge beſteht die Vorrichtung des Admirals Dundonald im Weſentlichen in einem Luftballon, den man von einem Kriegsſchiffe aus an einer Leine aufſteigen läßt. Wenn der Ballon ſich gerade über Sebaſtopol, reſp. Kronſtadt befindet, ſo läßt er eine mit einem chemiſchen Präparat – über die Beſtandtheile des Mordſtoffes erfahren wir leider nichts Näheres – gefüllte Tonne auf die dem Verderben geweihte Stadt herab fallen, und dieſe Tonne hat die wunderthätige Kraft, auf der Stelle alle in der Feſtung befindlichen Soldaten zu tödten, ſo daß man, wie der Advertiſer ſehr weiſe bemerkt, ohne Gefahr, und ohne daß auch nur ein einziger Mann ſein Leben einbüßt, zum Sturme ſchreiten kann. n Es iſt ausgerechnet worden, daß die Stellen der in dieſem Kriege bereits gefallenen Offiziere, nach dem in der engliſchen Armee gewöhnlichen Kaufpreiſe einen Geſammt werth von 377,230 Pfd. Sterl. haben,