v. Nº. 1. u. 2. wissen sch J a hr bü c h er a fiiche Januar 829. Kritik. I. Historische Erinnerungen in lyrischen Gedichten, von Friedrich August v. Stägemann. Berlin, 1828. Gedruckt und verlegt bei G. Reimer. XII und 371 S. 8°. Es ist ein altes und oft wiederholtes VWort, daſs die einzig wahrhaften poetischen Erzeugnisse die Gelegen heitsgedichte seien, womit man freilich sagen will, daſs die Gelegenheit zur poetischen Gestaltung geworden, nicht daſs das Gedicht sich nach derselben umgesehen habe. Aber selbst in dem ersten Sinne kommt. Alles auf den Inhalt der Gelegenheit an; sie kann, an sich unbe deutend oder gleichgültig, nur durch ihren Zusammen hang mit einem sonst poetischen Geiste zu dichterischen Ergüssen werden, oder sie braucht, selber reich an poetischem Erz, nur zu erwarten, daſs daran geschlagen, werde, um zu tönen. Das Vaterland und seine Geschichte sind diese schon fertigen, jedem Dichter bereit liegenden Epopöen, deren Theile und Episoden sich zu reichen lyrischen Ausflügen darbieten. Das Ganze des Gedichts ist dann die vaterländische Stimmung, das im Hinter grunde seiende Bewuſstseyn aller dieser Thatsachen, deren hauptsächlichste sich gelegentlich als Chorführer und Stimmangeber vernehmen lassen. Eine solche Preuſsische Geschichte in lyrischen Ge dichten hat uns Hr. v. Stägemann überliefert, Memoiren seines Staatslebens und seiner Staatsgesinnung in einem Poetischen Tagebuche niedergelegt. Um diese Gedichte würdigen zu können, darf daher das Leben des Staats mannes nicht übersehen werden; er ist nicht auch ein Dichter, wie Cäsar und Friedrich nicht auch Historiker sind, sondern seine dichterischen Erzeugnisse sind nur das poetische Daseyn seines staatsmännischen Lebens, welches allein den Begriff derselben zu bezeichnen im Stande ist. Jener Richtung und Denkungsart angehörig, welche wir kurz mit den Worten: die Stein-Hardenberg Jahrb. J wissensch. Kritik. J. 1829. I. Bd. sche Administration benennen wollen, ist er in der Zahl würdiger und geistreicher Staatsmänner aus jener Epoche einer der verdientesten und angesehensten. Sollen wir näher den Begriff des genannten Verwaltungssystems an geben, so dürfen wir dasselbe vielleicht am schicklichsten in Kürze dadurch bezeichnen, daſs wir sagen, in ihm eigne sich der Geist reiner Monarchie alle Vortheile der allgemeinen Entwickelung an, indem er deren Ansprüche aufnimmt und mit Maſshaltung befriedigt. Dieses System verkennt die umwälzenden Bewegungen, welche die neueste Geschichte zu ihrem Resultate haben, nicht in ihrer unabwendbaren Nothwendigkeit; es glaubt nicht daran, daſs sie hätten verhindert werden können, weder durch etwas mehr Milde, noch durch etwas mehr Festig keit; aber es weiſs diese Umwälzungen als ein absolutes Unrecht, als eine Krankheit, die nur behutsam eingeimpft dem Organismus förderlich wird. Aber auch nur durch diese Selbsteinimpfung kann die Ansteckung verhindert werden. Man muſs die Krankheit somit gegen sich selber anrufen, und die Revolution mit Zöllen belegen, um sie als Reform passiren zu lassen. Der Staatskanzler reprä sentirt diese Einheit des neuen Geistes und des alten selbst körperlich. Wenn Herablassung und VWürde, Milde und Ernst sich zu einem Individuum verbinden, se konnte es sich nicht künstlerischer darstellen als in jener Persönlichkeit. Namentlich aber war ihm Preuſsen jener neue wiedergeborne Staat, der alle Gedanken, welche eben die heutige Zeit ausmachen, nicht auf dem Wege von VWehen und zerrüttenden Geburtsschmerzen zu er halten habe, sondern sie auf der ruhigeren Bahn intelli genter Durchdringung sich aneignen und zu Nutze machen müsse. Wie Canning seinen Ausgangspunkt im Pitt'schen System gehabt hatte, und somit der unmittelbaren Fran zösischen Staatsumwälzung als Widersacher entgegentrat, dann aber der in ihren Folgen und Resultaten vermittelten sich zu nähern suchte, und zulezt selbst als Repräsen tant und Individuum des neuen, nicht mehr Revolutions-, 1